Sonntag, 30. November 2008

Worte zum Sonntag

שלום

Pünktlich zum 1. Advent hielt ich es für notwendig, euch doch kurz zu benachrichtigen: ich wünsche euch eine schöne Weihnachtszeit, voll mit Geborgenheit, Besinnung und der nötigen Portion Romantik...denn wie mein erster Besuch, meine Eltern, feststellen konnten, wird man heute vom Geburtsort Jesu doch etwas desillusioniert. Mehr als zwei Wochen haben sie hier verbracht, und ich bin mir sicher dass sie eine schöne Zeit mit mir hatten - egal ob wir der Geschichte auf der Spur, dem Modernen auf der Spur, oder zusammen mit hupenden Autofahrern auf der Spur waren.
Inzwischen bin ich auch schon fleißig am Hebräisch lernen. Ich besuche einen Sprachkurs zweimal wöchentlich, und irgendwie hab ich das Gefühl, dass das momentan die einzige Konstante in meinem Leben ist. Denn Arbeit, Freundschaften, Launen, Konzentration, das sind alles Faktoren, die bei mir große Spannungskurven bekommen haben. Vielleicht liegt es auch nur am Wetterumschwung, denn es ist eindeutig kalt geworden. Auch hier kehrt der Winter ein.
Vor kurzem saß ich auf unserem Dach und hörte die Muezzin, die aus allen Richtungen zum Gebet aufforderten. Ich liebe diesen Moment und er lässt mich immer wieder wissen, dass ich in Jerusalem bin.

Passend zur Weihnachtszeit gibt es hier einen Weihnachtslied für euch: ein arabisches Lobeslied zu Ehren Jesu.

A voice from the unheard voices of the Christians of the Middle East who have been witnessing to faith in the Saviour since His incarnation in their midst.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

مصر

Liebe Menschen,

seit mehr als drei Wochen habe ich nichts mehr von mir hören lassen, dafür möchte ich euch jetzt mit einem Bericht auf den neuesten Stand bringen, was mein Leben hier betrifft.

Zuallererst möchte ich euch mitteilen, dass sich nach der Nacht meines letzten Eintrags, also nach dem vermeintlichen Anschlag, alles völlig beruhigt hat. Ein, zwei Tage später war alles, wie prophezeit, völlig vergessen und das Leben lief ganz normal weiter.
Ich habe mir Gedanken gemacht, warum dieses Land so funktioniert, warum auf der einen Seite militärisch von Seiten Israels so reagiert wird. Soll heißen, auf Diplomatie wird völlig verzichtet, der junge Araber wird eben erschossen und nicht verhört. Kurze Zeit später wurde vom Außenminister das Abreißen des Gebäudes des Attentäters angeordnet, und die ganze Familie wurde inhaftiert. Anderseits leben alle Menschen hier normal weiter, und das alltägliche Leben nimmt wieder seinen Lauf. Schon eine verrückte Mentalität, aber ich selber habe an uns Freiwilligen bemerkt, dass man eben ein solches Ereignis in Kauf nimmt, und recht unbeachtet sein Leben fortsetzt. So viel dazu.

Meine lange Schreibabstinenz hat außerdem einen anderen, erfreulichen Grund: ich war die letzte Woche über im Urlaub. Acht Tage lang hat es uns vier, Stefan, Annika und Judith und mich, nach Ägypten verschlagen. Nach zwei Monaten hat es uns schon außerhalb der Grenzen Israels gezogen. Nicht, dass wir hier schon alles gesehen und erlebt hätten, aber die Abenteuerlust hat uns eben in dieses Land getrieben. Und es hat sich gelohnt!
Am Sonntag, den 5. Oktober ging unsere Reise los: wir planten uns kurz vor 10:00 am Busbahnhof in Jerusalem zu treffen. Fünf Minuten vor der Angst wurde ich dann endlich durch die Sicherheitskontrollen geschleust und hatte schon Angst die drei anderen zu verpassen. Und so war es dann auch: der Bus ist schon ohne mich gen Eilat losgefahren, und meine Befürchtung, die anderen würden ohne mich zum Roten Meer fahren, hat sich bewahrheitet. Mir blieb also nichts anderes übrig als den nächsten Bus abzuwarten. Kurz vor 14:00 kam dann die Überraschung: meine Mitreisenden standen auch an der Haltestelle. Sie erklärten mir, dass sie dreiviertel zehn da waren, aber der Bus ohne sie fortgefahren war! Daraufhin musste ich ihnen erst einmal erklären, dass in der Nacht vom 4. zum 5. Zeitumstellung war, und sie eine Stunde zu früh am Busbahnhof waren. ;) Irgendwann abends sind wir dann doch in Eilat eingetroffen, und die unheimliche Schwüle & Hitze vermittelte uns gleich das Gefühl von Urlaub. Die erste Nacht haben wir dann am Strand in gemütlichen Liegen verbracht, mit Schlafsack draußen schlafen. Die Sterne beobachten hatte definitiv seinen Reiz...Am Montag kam die nächste Überraschung: das ägyptische Konsulat, von welchem wir ein Visum benötigten, hatte geschlossen! Es blieb uns also nichts anderes übrig, als am Grenzübergang in Taba in den Sinai einzureisen. Den Sinai kann man auch ohne Visum bereisen, und so saßen wir dann irgendwann Vormittags im ägyptischen Taxi und fuhren nach Nuweiba, unsere erste Anlaufstation. Nuweiba liegt ca. 70 Kilometer südlich von der israelischen Grenze am Roten Meer. Und die Küstenfahrt dahin war ein Genuss! Auf der rechten Seite Berge, Steinwüste, weite Sicht – auf der linken ein wundervolles blaues, türkises Meer und verlassene Strände. Und im Gegensatz zu Israel kam einen alles verlassen vor, wenig Menschen und laute arabische Musik im Taxi. In Nuweiba im Softbeach angekommen, wurden wir mit Begrüßungsgetränk erwartet und freundlich empfangen. Der Softbeach, eine Art Bagpackercamp, wird von einer deutschen Frau seit etlichen Jahren geleitet. Und der erste Eindruck war fabelhaft: ein schöner Strand, Palmen, gutes Wetter und gemütliche Strandhütten. Und es lies sich da definitiv aushalten! Die ersten zwei Tage haben haben wir am Strand verbracht; man kann am Roten Meer richtig gut tauchen und schnorcheln, da es einfach voller Korallenriffe ist.
Am Mittwoch starteten wir unseren ersten Trip: das Ziel war weitläufig gesagt die halbe Sinaiwüste. Frühs gegen 8:00 fuhren wir mit einem Bedouinen Richtung White Canyon, südlich von Nuweiba.
Ich möchte euch jetzt den gesamten Ablauf der Zweitagestour ersparen, aber ich kann soviel sagen: der Trip durch die Wüste mit Kamel, Jeep und Wandern hat sich völlig gelohnt. Und die Nacht in einer wundervollen, einsamen Oase zwischen Bergen zu verbringen war für mich auch etwas neues. Jedoch hatte unsere Wüstenreise auch ein paar Schattenseiten: zwischenzeitig überkam uns das Gefühl, unsere Tour würde nicht ganz dem entsprechen, was uns im Vornherein versprochen wurde. Eine weitere schlechte Erfahrung haben wir mit Bedouinenkindern in der Oase gemacht: am Anfang dachten wir noch, sie würden vor unseren Augen spielen und uns nicht weiter stören. Irgendwann wurden sie immer aufdringlicher, hatten Geldscheine im Mund und ihr Lachen wirkte unheimlich gekünstelt. Irgendwann fingen sie an uns in die Hosentaschen zu greifen und permanent zu stören. Selbst als ich auf die Toilette ging, lief mir das ältere der zwei Mädchen (vielleicht 4 Jahre) hinterher und ging nicht von meiner Seite – ich konnte sie noch nicht mal vom Klo verscheuchen und eine Tür gab es sowieso nicht. ;) Eine wirklich anstrengende Erfahrung...
Am zweiten Tag hat es uns dann zum Mount Sinai verschlagen: manchmal wird er auch Berg Moses genannt, wo der Bibel nach Moses die 10 Gebote von Gott empfangen haben soll. Die meisten Archäologen bezweifeln jedoch die Glaubwürdigkeit der religiösen Stätte. Jedoch ist sie ein Pilgerzentrum für Christen, Juden und auch in gewisser Weise Moslems, da sie Basis der Religion bildet. Auch das Katherinenkloster, eine der ältesten christlichen Stätten überhaupt, haben wir besucht. Jedoch war der Besuch nicht besonders empfehlenswert, denn der Ort war einfach voller Touristen, im Kloster gab es nicht wirklich viel zu sehen. „Sehenswert“ war der brennende Busch, durch den Gott mit Moses gesprochen haben soll.
Tja, den restlichen Urlaub haben wir mit am Strand liegen, Schnorcheln und Städte besuchen verbracht. Es gab auch oft Momente in denen man mit Ägyptern zusammen einen Tee getrunken oder eine Zigarette geraucht hat...das Land und die Leute haben auf mich definitiv einen sehr gelassenen und freundlichen Eindruck vermittelt. Und dann nach der Woche wieder in Israel zu sein, das war schon eine etwas befremdliche Umstellung: auf einmal sieht man wieder Zivilisten mit Waffen, alles ist abgesperrt und umzäunt, und alles ist viel viel westlicher.
Für mich wird es definitiv nicht mein letzter Ägyptenurlaub gewesen sein, und das nächste mal geht es weiter Richtung Westen, Sahara, Kairo und den bekannten Oasen...

Heute Nacht werde ich für diesen Monat meine letzte Nightshift arbeiten und danach habe ich zwei Tage frei. Ich werde wohl das erste mal der Westbank einen Besuch abstatten und Bethlehem sowie Ramallah besuchen. Ich bin auf die Gegend und die Menschen gespannt...
Ich möchte mich außerdem bei dieser Gelegenheit bei meinen Unterstützern und Interessierten bedanken: Danke, dass ihr mir diese unheimlich wichtigen Erfahrungen möglicht macht und daran teilhabt.










Dienstag, 23. September 2008

Beschädigte Krankenhausmauer

Liebe Freunde, Familie, Bekannte und Interessierte,

wie instabil der Nahe Osten ist, habe ich heute Nacht das erste mal "direkt vor der Haustür" erlebt. Von 18:00 abends bis 1:00 nachts, also vor etwas mehr als einer Stunde, musste ich arbeiten. Kurz vor 23:00 bin ich mit einem Patienten namens Zinovi beschäftigt, einem russischen Juden, den ich gerade zusammen mit der Nachtkrankenschwester ins Bett schaffe....auf einmal hören wir Schüsse, und Schwester Monika sagt noch zu Zinovi: "Party, Party". Klar, naheliegend, schließlich ist gerade Ramadan und nachts hört man oft vom Damaskustor her Silvesterknaller. Jedoch sind diese Schüsse unheimlich laut, und es sind mindestens ein Dutzend am Stück. Ich gehe zu einem Fenster, welches auf die Paratroopers und die Shivtei gerichtet ist. Diese zwei Straßen führen zu einer großen Kreuzung zusammen, die man von diesem Fenster aus Zimmer 8 sehen kann. Am Fenster sehe ich Christina stehen, und ich schaue raus...: Soldaten, die panisch die Straße hochrennen, Zivilisten, die humherlaufen, Krankenwagen, Ambulanz, noch mehr Soldaten. Man hört Leute schreien und noch ein paar Schüsse. Könnt ihr euch die erste Reaktion auf diese Situation vorstellen? "Krieg", denk ich natürlich, oder vielleicht eine 3. Intifada? Danach spielten sich die Ereignisse für mich Schlag auf Schlag ab...Pfleger und Ordensschwestern vom Krankenhaus kommen herein: sie standen unten auf der Straße unmittelbar neben dem Szenario. Das Krankenhaustelefon hört nicht mehr auf zu klingeln, ich tausche mich mit Volontären aus, wir als Volontärsgruppe (viele waren zu dem Zeitpunkt noch auf einer Hochzeit) sitzen auf der Mauer und blicken auf das Chaos...überall Lichter, viele orthodoxe Juden als Schaulustige, Menschenmassen die durch die Straßen strömen, Fernsehsender...nach ungefähr einer halben, dreiviertelstunde kommen die ersten Narichten: Terroranschlag. Damit hat sich unser Bild auf die Situation verändert: die erste Annahme von uns war: ein Auto fährt in die Shivtei, und verursacht einen Unfall. Den Fahrer schleudert es aus dem Auto und daraufhin gehen Soldaten von einem Attentat aus und schießen auf ihn. Nach und nach erfahren wir, dass es sich wohl doch um einen gezielten Anschlag handelt: ein junger Palästinenser fährt in eine Horde Soldaten, die gerade die Shivtei Straße überqueren wollen. Die ersten Zahlen sprechen von 10, die neuesten von 17 Verletzten. Einer unserer Freiwilligen ist unmittelbar nach dem Crash auf die Straße gegangen, und meinte es "hätte nach einem normalen Unfall ausgesehen..." Seht ihr wie sich die Bilder verschieben können?

Ich sitze auf der Mauer und denke wie schnell sich doch eine Situation verändern kann. Die ersten 7 Wochen ist eben nichts passiert, alles war ruhig, und für mich sah es doch eben so friedlich aus. Und auf einmal?
Interessant zu beobachten, dennoch schockierend, war folgendes: man sieht Menschenhorden sich verschieben, Leute hetzen. Aus der Alstadt (die New Gate ist gegenüber von unserem Eingang) werden auf einmal Araber verjagt. Kleine, orthodox-jüdische Jungen rennen ihnen hinterher, schmeißen mit Steinen. Weiter vorne an der Shivtei werden ebenfalls Araber verprügelt. Man spürt den Hass, der von den Menschen ausgeht...aber so richtig möchte man es nicht wahrhaben. Vorhin war ich noch Draußen vor unseren Türen. Inzwischen ist es ruhig, man sieht noch ein zwei Armeewagen. Ich sehe noch den letzten israelischen Fernsehsender, der zusammen mit orthodoxen Jugendlichen wohl ein kleines Propagandavideo gedreht hat. Was sie in die Kamera geschrien haben, dass muss ich euch wohl jetzt nicht sagen.

Das Gitter vor unserer Mauer ist jetzt eben sehr verbeult. Und das Terror an den eigenen Mauern passiert, damit hätte ich vor 3 Stunden noch nicht gerechnet, zumindest nicht wirklich.
Vielleicht habt ihr inzwischen in den Narichten davon gehört. Zwei Zivilisten sind wohl leicht verletzt, ansonsten hat es die Soldaten schwerer getroffen. Leuten vom Krankenhaus ist Gott sei Dank nichts passiert. Und auch hier in Jerusalem wird wohl morgen das Leben ganz gewöhnlich weitergehen.

Sonntag, 14. September 2008

09/11, Schwarzer Tag

Der 11. September scheint es auch nicht unbedingt gut mit mir zu meinen.
In der Nacht vom 10. auf den 11. ging es los: eine schlaflose Nacht, Zahnschmerzen ohne Ende. "Vorübergehend", hoff ich nur...kurz nach 5:00 entscheide ich mich schließlich aufzustehen, gehe hoch auf Station und besorge mir Schmerzmittel. Zwei Stunden und unendlich viele unangenehme Momente später stehe ich mit meinem Arbeitskittel schon zum Arbeiten bereit. Kurz nach 10:00 verabschiede ich mich schließlich von meinen zwei Arbeitspartnern und leg mich schlafen, denn arbeiten ging wirklich nicht mehr. Schließlich lege ich mich schlafen, wache abends (!!) auf und mir fällt ein, dass ich Amina ja vom Ben Gurion Flughafen abholen wollte. Irgendwann nachts 1:00 kommt Amina dann endlich in der Arrival Halle an, und ich bin froh, dass sie endlich da ist. Sie hätte schließlich schon seit 7 Wochen hier sein sollen, aber ihr wurde die Einreise verweigert, da sie nur eine russische Staatsbürgerschaft und einen arabischen Name hat. Im Sherut fällt mir auf, dass ich mein Portmonaie nicht finde. Panisch durchwühle ich meinen Rucksack: nichts. Renne nochmal in den Flughafen, suche an den Stellen, an denen ich mich aufgehalten habe. Nichts! Nachts 3:00 sind wir dann schließlich in Jerusalem...eine weitere schlaflose Nacht wartet auf mich. Am Mittag versuche ich bei Fundbüro anzurufen, doch leider kommt mir der Shabbat in den Weg. Das gleiche mit Zahnärzten: Termine würde ich erst in der Woche drauf bekommen, und Schmerzbehandlung scheint auch nicht wirklich zu exestieren. Shabbat ist wirklich eine furchtbare Erfindung!
Selbst als ich gestern auf Polizeistation meinen Verlust melden wollte, musste ich stundenlanges warten in Kauf nehmen.
Inzwischen wurde mir Paracetamol und Antibiotika verschrieben, ich fühle mich trotzdem schlecht und arbeite wieder - wenigstens ist man da beschäftigt...ich hoffe heute Früh kann ich zu einem Zahnart gehen.... wo immer ihr auch seid, ich wünsch euch eine schmerzfreie Zeit, und denkt dran: vergesst ja nicht die Routineuntersuchungen beim Zahnarzt!
Liebe Grüße, Erik

Montag, 8. September 2008

Zwei Welten

Dieser Eintrag beinhaltet kein spezielles Erlebnis. Der erste, kurze Teil befasst sich mit mir, der zweite mit dem Thema Nahostkonflikt und meinen Erfahrungen damit.


Wenn man nach Israel reist, erwartet man, israelische oder arabische/palästinensische Menschen kennen zu lernen, eine fremde Sprache zu erlernen und auch so kulturell etwas aus der normalen Bahn gebracht zu werden. Was mich dann hier im French Hospital erwartet hat, damit habe ich nicht wirklich gerechnet. Hauptsächlich deutsche Freiwillige, ein paar europäische Freiwillige, ein zwei afrikanische Volontäre. Im Krankenhaus wird Englisch gesprochen, und wenn nicht, dann arbeitet man (ich) wohl mit einem/einer Deutschen zusammen. Nicht dass es mich stören würde, die Volontäre sind wahnsinnig nett und haben mich gut aufgenommen, aber meine Erwartungen wurden dennoch etwas getrübt. Der Alltag ist somit für mich...deutsch. Und das ging doch etwas an meinem Ziel vorbei. Momentan habe ich jedoch eine super Zeit mit den Freiwilligen: sie sind immer für Ausflüge oder einfach Einkäufe in der Stadt offen, und ich habe mit ihnen eine wunderbare Zeit. Das ist die positive Seite, wenn man hier Volontär ist.
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Ich habe mich für den Zivildienst entschieden, weil ich Gewalt verabscheue. Ironischer Weise arbeite ich in Israel. Es stört mich nicht Menschen mit Waffen zu sehen, oder an Eingängen von Cafés und Kneipen kontrolliert zu werden. Eigentlich war es auch meine Absicht, in einem Krisengebiet zu arbeiten, in solch eine problematische Situation hineinzurutschen. Ich möchte euch kurz schildern, welchen Eindruck ich bis jetzt vom „Krisengebiet“ Israel/Palästina bekommen habe.

Zuerst die arabische Sicht:

in unserem Krankenhaus arbeiten viele Araber, Christen sowie Muslime. Einige Volontäre haben arabische Freunde, und es ist prinzipiell einfacher Kontakt zu ihnen zu knüpfen. Sie sind wahnsinnig gastfreundlich, laden ein und sind einfach immer in Partystimmung.
Ich war schon auf zwei arabischen Feiern, und es war beides mal sehr amüsant: es wird getanzt, Nagila geraucht und getrunken. Jene Araber wohnen in der Altstadt oder auch Ostjerusalem. welches im 6-Tage-Krieg übrigens durch das israelische Militär annektiert wurde.

Araberin X (ich möchte ihren Namen nicht nennen) wohnt in der Altstadt, ist Palästinenserin, mit jordanischer Staatsbürgerschaft (wie bei fast allen Palästinensern in Israel) und einer israelischen Staatsbürgerschaft – das ist etwas besonderes für Araber.
Denn die israelische Staatsbürgerschaft bekommt man als Araber nicht einfach so, egal ob man in Palästina schon vor der Staatsgründung gelebt hat oder nicht. Man erlangt sie durch eine lange Prozedur, lauter Schikanen. Mann muss sich einen Anwalt besorgen, eine Menge Geld zahlen und zudem Jahre lang warten. Diese blaue ID ermöglicht einem aus Israel auszureisen. Israelis besitzen sie automatisch, Araber eben nicht – durch viel Geld, welches sie meistens nicht besitzen.
X erzählte Geschichten, wie vor längerer Zeit Soldaten in das Haus ihrer Familie stürmten, Dinge zerstörten, töteten. Jeder Araber kann einem solche oder ähnliche Geschichten erzählen. Auch heute erlebt man Schikane täglich: über 200 Checkpoints „schmücken“ die Grenzen zur Westbank. Arabern wird es täglich schwer gemacht diese Grenze zu überwinden – selbst wenn man in Bethlehem wohnt und in Jerusalem arbeitet, steht man ewig an den Checkpoints...ich könnte euch noch mehr Beispiele nennen, wie Schikane hier täglich funktioniert. Im Grunde umfasst es jeden Lebensbereich...die traurige Wahrheit.

Nun die israelische Sicht

Sie fällt um einiges kürzer aus. Seit der Staatsgründung von Ben Gurion 1948, stehen Israelis im Konflikt. Die fraglichen Annexion, die völkerrechtlich weltweit angezweifelt wurden (und werden), haben Israel Kriege gebracht und Probleme geschaffen. Jedoch wird die Existenz Israels von fast allen arabischen Nationen weiterhin nicht anerkannt. Schlimmer noch: Israels Existenz soll ausgelöscht werden. Und das ist nicht nur die Ansicht islamistischer Terrorgruppierungen!!! Hört man Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, dass er Israel vernichten will, erahnt man diese krankhafte Ideologie und die riesen Gefahr, die von manchen Ländern ausgeht. Ein interessantes Video gibt es dazu hier, angucken!



Seit der Diaspora wurden Juden vertrieben, verfolgt und ausgeschlossen. Natürlich steht diesem Volk ihr Platz zu! Nach diesen Jahrhunderten schützt sich eine ganze Nation, schützt ihre Existenz. Jedoch ist die Art und Weise einfach falsch und moralisch nicht vertretbar. Ich glaube das habt ihr ja schon bei der „arabischen Sicht“ nachvollziehen können. Ich möchte, dass ihr dafür einfach ein bisschen sensibler werdet – Dinge nicht blind aus dem Fernsehen übernehmt und euren reinen Idealismus sprechen lasst. Je tiefer man in diese Problematik einsteigt, desto komplizierter und verwirrender wird sie.


Durch eine lakonische Bemerkung geschmückt, begrüßt mich im French Hospital ein junger Israeli: „You know, I woke up and was in an awesome [wunderbar] mood. It's a beautiful world with beautiful people. But there are also ugly people, and we just have to kill them.“
Ist das etwa ein Weg mit Problemen umzugehen? Egal von welcher Seite welches Gewaltpotential ausgeht, es ist falsch so zu reden. Und gerade in dem Land, in denen sich alle Menschen mit ihrer Religion identifizieren.
Öfters frag' ich mich, ob ich wohl auch den Kriegsdienst verweigert hätte, wäre ich in Israel geboren. Eine lebenslange, gesellschaftliche Verachtung nimmt man eben nicht so einfach in Kauf. Und als Mitteleuropäer lässt es sich verhältnismäßig leicht pazifistisch denken. Und ist Verteidigung Sicherheit, oder führt sie etwa im ewigen Teufelskreis nur zum nächsten Angriff?
Ich weiß nicht wie ich handeln würde.

Israel/Palestina is a beautiful country – why can't all people be beautiful?

Donnerstag, 21. August 2008

Berührungen mit Israel

Shalom,
seit meinem letzten Blogeintrag, der schon etwas länger her ist, hatte ich ab und an die Möglichkeit Israel besser kennenzulernen. Der große Vorteil (oder Nachteil) in diesem Land ist die Größe. Man braucht von Jerusalem nur 2 1/2 Stunden mit dem Bus und man ist am südlichsten Punkt, in Eilat. Die gleiche Zeit und man ist an der Grenze zum Libanon im Norden. So viel Zeit hab ich damals von Schönheide nach Chemnitz benötigt. ;)

Letzte Woche bin ich mit Stefan nach Ein Gedi gefahren. Inmitten der Wüste und an das Tote Meer angrenzend befindet sich diese Oase. Für uns gab es da gleich mehrere Premieren: die Fahrt mit dem Bus in die Negev Wüste hinein war absolut beeindruckend. Das erste mal haben wir "richtige" Wüste gesehen. Blechhütten und Kamelreiter mitten im Nirgendwo, sowas findet man ja für gewöhnlich nicht in Mitteleuropa. ;) Als wir den "lowest Point on earth", mehr als 300 Meter unter dem Meeresspiegel erreicht hatten, war es bis Ein Gedi nicht mehr weit.
Das Bild dieser Oase werd ich nicht vergessen. Faszinierende Tatsache, welche Wunder unsere Natur birgt: ein fruchtbares Land inmitten der Dürre, am salzigsten Meer der Welt. Ein Gedi besitzt übrigens eine Quelle, und viele Israelis trinken das Ein Gedi Mineralwasser.
Ich hab es richtig genossen...auf dem Toten Meer zu gleiten, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und vorallem mit Blick auf die Berglandschaft rund um das Tote Meer.
Trotzdem hat es uns nicht zu lange an diesem Ort gehalten. Denn geschätzte 50 Grad im Schatten plus extrem versalzene Haut vermitteln einem das Gefühl, von der Natur an diesem Ort nicht wirklich erwünscht zu sein.

Am letzten Freitag ging es für mich zu meinem ersten Shabbatabend. In Ma'alot Dafna, einem jüdischen Viertel im Norden Jerusalems, lebt Rabbi Machnes. Jede Woche zelebriert er auf traditionelle Weise zusammen mit seiner Familie den Shabbat. Ganz traditionell dann doch nicht, denn das Besondere ist: jeder ist herzlich willkommen. Egal ob Jude oder Nichtjude, Bettler oder reicher Amerikaner, Europäer oder Afrikaner - jeder ist eingeladen. Von einem ehemaligen Freiwilligen hab ich von diesem Shabbatessen efahren.
Unser Suchen nach Machnes' Haus in der Shimeon Ad-Haddsiq wurde erschwert, da an vielen Häusern die Türen einfach offen standen. Oft dachten wir: "Hier muss es sein, hier steht die Haustür auf!" Da das zum Shabbat in einem jüdischen Viertel anscheinend keine Seltenheit ist, kamen wir um eine 3/4 Stunde verspätet an, doch genau rechtzeitig zum Kiddusch. Nach dem Reinwaschen und dem Weinsegen ging das Essen los. Ich bin wirklich überrascht, wie man als Rabbi jede Woche für ca. 100 Mann ein Shabbatessen organisieren bzw. bezahlen kann. Sogar für den Hühncheneintopf gab es eine vegetarische Variante.
Rabbi Machnes ist vor drei Jahrzehnten aus den USA nach Israel immigriert. Inzwischen besitzt er amerikanische, jüdische Sponsoren, die ihn finanziell unterstützen damit er seine Shabbattradition forstsetzen kann.
Es war ein wirklich interessanter Abend, der sich bis kurz vor Mitternacht hingezogen hat. Während des Essens wurde gesungen, gefeiert, geklatscht - ab und zu stimmte Rabbi Machnes neue Melodien an, und in den Pausen war Zeit zum "Teachen", zum Lehren. Selbst wir als völlig neue, schüchterne Nichtjuden wurden gefragt ob wir nicht auch lehren wollen. :P
Für mich war dieser Abend die erste Gelegenheit richtig nahe am jüdischen Leben zu sein. Ich hoffe dass sich für mich des öfteren die Gelegenheit dafür ergibt.


Hier noch ein paar Bilder.




Das erste mal in einer Wüste. Negev...


Ein Gedi, eine Oase inmitten der Negev Wüste.


Der Weg zum "Strand"


Ganz waagehalsig die Kamera im Wasser...schwimmen muss man ja nicht. ;)



Stefan bei seinen Versuchen...

Dienstag, 12. August 2008

Change & Turn

Seit zwölf Tagen arbeite ich schon, hier im French Hospital - ich hab also schon einige "Shifts" (Arbeitsschichten) hinter mir und kann über meine Aufgaben berichten...ihr müsst euch vorstellen, dass diese Einrichtung mehr Pflegheim & Hospiz als Krankenhaus ist. Die Patienten haben alle schwere, unheilbare Krankheiten und kommen hier her um zu sterben.
Die ersten Arbeitstage begleitete mich ein "Mentor". Christina ist eine ausgebildete deutsche Krankenschwester, die u.a. zwei Jahre auf der Intensivstation gearbeitet hat und hier ebenfalls Freiwillige ist. Da ich im Bereich Pflegearbeit völlig ins kalte Wasser geschmissen wurde, habe ich meine Mentorin bitter nötig gehabt.

Die zwei ersten Tage musste ich von 13-19 Uhr arbeiten. Zur Nachmittagsschicht arbeiten die meisten Krankenschwestern und Pfleger, und die Aufgaben sind relativ beschränkt. Man beginnt mit einer Wasserrunde. Patienten, die durch eine Tube, also eine Sonde künstlich ernährt werden, bekommen in ihren Bags Wasser aufgefüllt. Selbst bei solch einer einfachen Aufgabe kann man schnell Fehler machen...so wie bei mir: es ist mir das ein oder andere mal passiert, dass ich die Anschlüsse völlig vergessen habe, sodass die Flüssigkeiten aus den Bags ausliefen und die Bettlaken völlig durchnässt waren. Aber solche Fehler macht man nicht lange, wenn man weiß dass man dadurch nur noch mehr Arbeit hat. ;)

Danach beginnt das "Changing And Turning". Auf Deutsch bedeudet das simpel Windeln und Position der Patienten verändern. Vor zwei Wochen konnte ich mir nich wirklich vorstellen, solche Aufgaben zu machen. Die letzten Jahre hatte ich einfach kaum Kontakt zu alten Menschen. Aber komischerweise überwindet man seine Berührungsängste doch sehr schnell, und bekommt ein Gefühl, wie man mit den Patienten umzugehen hat.

Anders ist es da mit der Kommunikation.
Das Hospiz Francais ist einfach mal sowas von international! Hier arbeiten arabische Pfleger, aber auch jüdische Ärzte, die jedoch meist russischen Immigrationshintergrund haben. Die Ordensschwestern sprechen fast nur Französisch; dazu kommen jüdische Patienten die aus allenmöglichen europäischen Ländern kommen; die arabischen Patienten beherrschen auch meist nur ihre Sprache, und zu guter letzt sind wir Freiwilligen auch Ausländer, und beherrschen nur jeweils unsere Sprachen. Mir fällt es immer noch schwer, mit unseren Patienten einfach so zu quatschen...nur als Unterhaltung irgendwas auf Deutsch oder Englisch zu erzählen.
Heute habe ich mit einer Russin zusammengearbeitet, die kein Englisch beherrscht. Es war schon amüsant sich mit Händen und Füßen zu verständigen, ungewiss ob der andere einen überhaupt verstanden hat. Notgedrungen lernt man hier auch von vielen Sprachen ein paar Floskeln und einfache Wörter...

Momentan herrscht ein bisschen Chaos, weil jetzt im Sommer ein riesen Wechsel der Freiwilligen stattfindet, viele gehen, neue kommen und müssen eingearbeitet werden, so wie ich. Außerdem wird in einem Monat unsere Head Nurse (Oberschwester) nach zehn Jahren gehen und in die Schweiz ziehen.

Mit dem Thema Tod wird man natürlich auch in Konfrontation geraten. Erst vorgestern sind zwei Patienten gestorben. Einen Abend vorher habe ich noch beide behandelt. Auch wenn es jetzt vielleicht hart klingt, aber es hat mich nicht wirklich berührt. Man weiß eben, dass es sterbenskranke Menschen sind, und den Tod sieht man dann als Erlösung. Auch vom Personal konnte ich keine wirkliche Reaktion der Trauer erkennen. In Zukunft werde ich mich wohl des öfteren auf solche Ereignisse einstellen müssen...
Morgen habe ich ertmal frei! Werde bestimmt bald berichten, was ich an meinem zweiten Off Tag so erlebt habe...
Menschliche Grüße, Erik

Samstag, 2. August 2008

Die Ankunft

Liebe Menschen,
inzwischen bin ich seit 1 1/2 Tagen in Israel, sitz gerade mit meinem Notebook draußen im Garten und sehe von hier aus das Neue Tor (New Gate), einer der Eingänge zur Altstadt von Jerusalem.
Vorgestern, am 31. Juli, war es so weit: der Flug von Berlin Tegel bis Tel Aviv.Meine Eltern haben mich zum Flughafen geschafft, und nachdem wir ein paar Flugzeuge beim Abheben beobachtet haben, wurde es Zeit Abschied zu nehmen. Nachdem ich dann ungefähr das dritte mal durch die Kontrollen bin, da die Grenzbeamten immer neue Flüssigkeiten in meinem Handgepäck gefunden haben, und ich jegliche Hygieneartikel zu Hause lassen musste, saß ich zusammen mit Stefan auch schon in einer Boeing 737. Mit etwas Verspätung starteten wir kurz vor acht Uhr. Wie sich witzigerweise später herausgestellt hat, war die Person neben mir für die Verspätung verantwortlich, da sie 19:25, also fünf Minuten vor dem Abflug, bemerkte, dass der Flug halb acht, und nicht halb neun losgehen würde. Die besagte Studentin war schon öfters in Israel, weil hier ihr Freund lebt, und so hatte ich die nächsten vier Stunden Zeit, mehr über die Eigenarten Israels zu erfahren (und davon gibt es anscheinend jede Menge). Kurz vor 1:00 landeten wir schließlich in Tel Aviv, und das erste was ich dort sah, war...


Irgendwie schon komisch, kaum ist man im "Heiligen Land", schon sieht man Fußballfans die ihre Mannschaft begrüßen. Und da soll mir jemand was von Kulturschock erzählen. ;) Das Team, welches am Flughafen begrüßt wurde ist Maccabi Haifa, der bekannteste und beste Fußballverein Israels.
Übrigens konnten es sich drei Deutsche, die man nach ein paar Sekunden rechts im Bild sieht, nicht nehmen lassen "Dynamo!" Gesänge von sich zu geben. Jaa, typisch deutsch eben. Nach einer Weile saßen wir dann auch schon zu dritt in einem Sherut, gen Jerusalem. Der Taxifahrer, der anscheinend nicht viel von Verkehrsregeln gehalten hat, ließ mich schließlich an dem Damaskus Tor raus, und nach ein paar Minuten und einer Taxifahrt mehr, stand ich dann auch schon vorm French Hospital.
Zwei Volontäre wurden gerade verabschiedet, deshalb war auch ein Großteil meiner 7er WG wach und konnte mich begrüßen...Philipp, ein weiterer Idje-Freiwilliger der jedoch in vier Tagen abreist, führte mich
durch die Altstadt und zeigte mir das arabisch-christliche, muslimische und das armenische Viertel der Altstadt. Von der Klagemauer war ich schon wirklich beeindruckt, doch viel beeindruckender fand ich die Tatsache, dass frühs kurz vor 6:00 schon Hunderte von Juden auf dem Platz standen und beteten.
Nun gut...ich möchte vielleicht meinen ersten Eindrücken durch ein paar Bilder mehr Intensität verleihen. Es ist gerade Shabbat, da fallen sowieso viele Aktivitäten hier flach. Die arabische Altstadt meide ich vorerst auch, weil sie Samstags einfach voller Touristen ist. Die erkennt man übrigens sehr leicht an den kurzen Hosen. ;)
Ab Morgen geht für mich da Arbeit los, und ich bin schon gespannt wie Christine, meine Mentorin, mich im Pflegebereich einarbeiten wird. Lehitraot. Erik...




Mittwoch, 23. Juli 2008

Wo zu Hause?

"Sehn wir uns denn nochmal?" Wie oft ist mir diese Frage die letzten Wochen begegnet...Freunde, Bekannte, Familie - Menschen, die man für ein ganzes Jahr nicht sehen wird. Aus Resignation und Nichtwahrhabenwollen war mein Kommentar dazu meistens: "Na klar, es ist doch noch Zeit..." Nun ist keine Zeit mehr. In einer Woche und einem Tag werde ich mein Ziel Tel Aviv, den Flughafen, bereits erreicht haben. Von der mitteleuropäischen Zeit aus wird Israel eine Stunde vorgerechnet, dass heißt jetzt in acht Tagen irre ich am Ben Gurion Flughafen zusammen mit Stefan umher. Irgendwie eine lustige Vorstellung. Der Stefan ist ein Idje Freiwilliger, der in einem Behindertenwohnheim in Jerusalem namens Shekel arbeiten wird. Ich bin froh, die ersten Stunden in Israel mit einer anderen Person zusammen zu erleben, und nicht alleine für mich die neuen Eindrücke verarbeiten zu müssen...aber warum mach ich mir jetzt darüber Gedanken, was mir in acht Tagen widerfahren wird. Die nächsten Tage möchte ich Deutschland nochmal genießen und Abschied nehmen. Abschied von guten Freunden (was ich die letzten Woche bereits gemacht habe), von meiner Familie und Abschied von einem Teil meines Ichs. Denn irgendwie lässt man ja ein Stück von sich hier: Materielles, Erlebnisse, Menschen, Sorgen & Aufgaben.
Ich muss ehrlich sagen, der Abschied fällt mir nicht allzu schwer...zu Hause, was ist das schon? Ist es etwa der Ort, an dem man seine Kindheit verbracht hat? Oder ist es die Region oder die Stadt, die man in sein Herz geschlossen hat, davon abgesehen ob man da wohnt? Oder ist es das Dorf, wo die Eltern wohnen, und wo man womöglich zu Weihnachten zurückkommt?
Die letzten Tage hab' ich mich ständig dabei erwischt, wie ich s'Raachermannl vor mir hergesummt habe. Wird mir etwa das Weihnachten von zu Hause fehlen?
Natürlich ist es schwer, mutzumaßen, wenn man noch nicht mal in der Ferne ist. Jedoch glaube ich, dass ich mich sehr gut auf Neues einstellen kann. Neue Gewohnheiten, Standarte, all das reizt mich ungemein. Ich behaupte von mir, die Welt sei mein zu Hause. Nicht ein spezieller Ort, nicht eine spezielle Region...ich möchte die Welt sehen, fühlen, schmecken, riechen, natürlich auch hören und empfinden. Durch mein ADiA im French Hospital St. Louis werde ich dazu in den nächsten 12 Monaten öfters die Gelegenheit haben. Ich freue mich auf das Jahr...und hoffe, mein zu Hause, die Welt, von einer ganz neuen Seite kennen zu lernen.