Montag, 8. September 2008

Zwei Welten

Dieser Eintrag beinhaltet kein spezielles Erlebnis. Der erste, kurze Teil befasst sich mit mir, der zweite mit dem Thema Nahostkonflikt und meinen Erfahrungen damit.


Wenn man nach Israel reist, erwartet man, israelische oder arabische/palästinensische Menschen kennen zu lernen, eine fremde Sprache zu erlernen und auch so kulturell etwas aus der normalen Bahn gebracht zu werden. Was mich dann hier im French Hospital erwartet hat, damit habe ich nicht wirklich gerechnet. Hauptsächlich deutsche Freiwillige, ein paar europäische Freiwillige, ein zwei afrikanische Volontäre. Im Krankenhaus wird Englisch gesprochen, und wenn nicht, dann arbeitet man (ich) wohl mit einem/einer Deutschen zusammen. Nicht dass es mich stören würde, die Volontäre sind wahnsinnig nett und haben mich gut aufgenommen, aber meine Erwartungen wurden dennoch etwas getrübt. Der Alltag ist somit für mich...deutsch. Und das ging doch etwas an meinem Ziel vorbei. Momentan habe ich jedoch eine super Zeit mit den Freiwilligen: sie sind immer für Ausflüge oder einfach Einkäufe in der Stadt offen, und ich habe mit ihnen eine wunderbare Zeit. Das ist die positive Seite, wenn man hier Volontär ist.
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Ich habe mich für den Zivildienst entschieden, weil ich Gewalt verabscheue. Ironischer Weise arbeite ich in Israel. Es stört mich nicht Menschen mit Waffen zu sehen, oder an Eingängen von Cafés und Kneipen kontrolliert zu werden. Eigentlich war es auch meine Absicht, in einem Krisengebiet zu arbeiten, in solch eine problematische Situation hineinzurutschen. Ich möchte euch kurz schildern, welchen Eindruck ich bis jetzt vom „Krisengebiet“ Israel/Palästina bekommen habe.

Zuerst die arabische Sicht:

in unserem Krankenhaus arbeiten viele Araber, Christen sowie Muslime. Einige Volontäre haben arabische Freunde, und es ist prinzipiell einfacher Kontakt zu ihnen zu knüpfen. Sie sind wahnsinnig gastfreundlich, laden ein und sind einfach immer in Partystimmung.
Ich war schon auf zwei arabischen Feiern, und es war beides mal sehr amüsant: es wird getanzt, Nagila geraucht und getrunken. Jene Araber wohnen in der Altstadt oder auch Ostjerusalem. welches im 6-Tage-Krieg übrigens durch das israelische Militär annektiert wurde.

Araberin X (ich möchte ihren Namen nicht nennen) wohnt in der Altstadt, ist Palästinenserin, mit jordanischer Staatsbürgerschaft (wie bei fast allen Palästinensern in Israel) und einer israelischen Staatsbürgerschaft – das ist etwas besonderes für Araber.
Denn die israelische Staatsbürgerschaft bekommt man als Araber nicht einfach so, egal ob man in Palästina schon vor der Staatsgründung gelebt hat oder nicht. Man erlangt sie durch eine lange Prozedur, lauter Schikanen. Mann muss sich einen Anwalt besorgen, eine Menge Geld zahlen und zudem Jahre lang warten. Diese blaue ID ermöglicht einem aus Israel auszureisen. Israelis besitzen sie automatisch, Araber eben nicht – durch viel Geld, welches sie meistens nicht besitzen.
X erzählte Geschichten, wie vor längerer Zeit Soldaten in das Haus ihrer Familie stürmten, Dinge zerstörten, töteten. Jeder Araber kann einem solche oder ähnliche Geschichten erzählen. Auch heute erlebt man Schikane täglich: über 200 Checkpoints „schmücken“ die Grenzen zur Westbank. Arabern wird es täglich schwer gemacht diese Grenze zu überwinden – selbst wenn man in Bethlehem wohnt und in Jerusalem arbeitet, steht man ewig an den Checkpoints...ich könnte euch noch mehr Beispiele nennen, wie Schikane hier täglich funktioniert. Im Grunde umfasst es jeden Lebensbereich...die traurige Wahrheit.

Nun die israelische Sicht

Sie fällt um einiges kürzer aus. Seit der Staatsgründung von Ben Gurion 1948, stehen Israelis im Konflikt. Die fraglichen Annexion, die völkerrechtlich weltweit angezweifelt wurden (und werden), haben Israel Kriege gebracht und Probleme geschaffen. Jedoch wird die Existenz Israels von fast allen arabischen Nationen weiterhin nicht anerkannt. Schlimmer noch: Israels Existenz soll ausgelöscht werden. Und das ist nicht nur die Ansicht islamistischer Terrorgruppierungen!!! Hört man Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, dass er Israel vernichten will, erahnt man diese krankhafte Ideologie und die riesen Gefahr, die von manchen Ländern ausgeht. Ein interessantes Video gibt es dazu hier, angucken!



Seit der Diaspora wurden Juden vertrieben, verfolgt und ausgeschlossen. Natürlich steht diesem Volk ihr Platz zu! Nach diesen Jahrhunderten schützt sich eine ganze Nation, schützt ihre Existenz. Jedoch ist die Art und Weise einfach falsch und moralisch nicht vertretbar. Ich glaube das habt ihr ja schon bei der „arabischen Sicht“ nachvollziehen können. Ich möchte, dass ihr dafür einfach ein bisschen sensibler werdet – Dinge nicht blind aus dem Fernsehen übernehmt und euren reinen Idealismus sprechen lasst. Je tiefer man in diese Problematik einsteigt, desto komplizierter und verwirrender wird sie.


Durch eine lakonische Bemerkung geschmückt, begrüßt mich im French Hospital ein junger Israeli: „You know, I woke up and was in an awesome [wunderbar] mood. It's a beautiful world with beautiful people. But there are also ugly people, and we just have to kill them.“
Ist das etwa ein Weg mit Problemen umzugehen? Egal von welcher Seite welches Gewaltpotential ausgeht, es ist falsch so zu reden. Und gerade in dem Land, in denen sich alle Menschen mit ihrer Religion identifizieren.
Öfters frag' ich mich, ob ich wohl auch den Kriegsdienst verweigert hätte, wäre ich in Israel geboren. Eine lebenslange, gesellschaftliche Verachtung nimmt man eben nicht so einfach in Kauf. Und als Mitteleuropäer lässt es sich verhältnismäßig leicht pazifistisch denken. Und ist Verteidigung Sicherheit, oder führt sie etwa im ewigen Teufelskreis nur zum nächsten Angriff?
Ich weiß nicht wie ich handeln würde.

Israel/Palestina is a beautiful country – why can't all people be beautiful?

3 Kommentare:

Heike hat gesagt…

Schön, dass du diese Gedanken und Erlebnisse hier veröffentlicht hast.
Regt einen schon zum Nachdenken an.
Von deinem Auslandsjahr zu lesen, ist (aufgrund der Tatsache, dass du in Israel bist und die dortigen kulturellen Unterschieden und Probleme hautnah mitbekommst) am spannensten.
Hoffe, du postet bald wieder etwas...der letzte Eintrag lag ja schon ein wenig zurück.

daniela hat gesagt…

wow. solche dinge hört man sonst nur aus dem radio oder sieht man im fernsehen. es ist schön,das mal aus dem mund von jemandem bekannten zu hören. gleich nochmal ein bisschen verständlicher.
...
morgen geht es nun auch für mich los. heute bekomme ich noch jede menge besuch. das packen muss ich dann wohl nebenbei erledigen ;-)
liebe grüsse. geniess die zeit weiterhin =)

Obelix hat gesagt…

Hallo Erik, über Sophia habe ich Deinen Blog gefunden - und habe ihn gleich mit großem Interesse gelesen. Ich wünsche Dir viele gute Erfahrungen und Gottes Hand über Dir! Liebe Grüße, Lutz.